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und bei der Überarbeitung besonders auf sie.
Für den Schriftsteller gilt im übrigen ebenso, was bei jedem Klaviervirtuosen oder
Tennisprofi für selbstverständlich gehalten wird: Immer wieder trainieren! Täglich schreiben
und dabei die Fingerübungen nicht vergessen. (Lassen Sie sich von den Aufgaben auf S. 227
ff. anregen.)
Stil, nicht Stilisierung. Ratschläge zur sprachlichen Gestaltung
»Eine falsche Ausdrucksweise wirkt
wie ein falsches Gebiß.«
(Thomas Bernhard)
Die Sprachgestalt hängt natürlich immer von der Wirkungsabsicht ab. Entscheidend ist, wie
es dem Autor gelingt, das, was man sagen möchte und was die Geschichte erfordert, den Le-
sern zu vermitteln: ohne Informations- und Reibungsverluste, ohne Verrenkungen und falsche
Posen. Dabei sollten die Sache und die angestrebte Übertragung im Vordergrund stehen, nicht
die sprachliche (Selbst-)Präsentation des Autors.
Es ist mir klar, daß viele anspruchsvolle Autorinnen und Autoren heute geradezu die
entgegengesetzte Strategie betreiben:
Sie wollen sprachlich verfremden, auffallend machen, aufrauhen, setzen Sprache als
Kunstgriff ein, um - nach der Formulierung von Viktor Sklovski - die Wahrnehmung zu
verlängern. Sie mißtrauen gründlich der >glatten
sperrige Darstellungsstrategien.
Aber: Stil, so heißt es, ist der Mensch selbst. Das bedeutet, Stil entsteht von alleine, wenn man
eine Aufgabe zu bewältigen versucht und sich sprachlich an einer Sache >abarbeitet
entsteht nicht durch einen absichtlich verfremdeten und angeblich individuellen
Sprachgebrauch. Auf diese Weise entsteht nur Masche. Persönlichen Stil sollte man nie mit
Stilisierung verwechseln, wie dies häufig Anfänger tun, weder gespreizte Posen noch
verrenkte Veitstänze machen den Dichter. Leider fallen manche Profileser wie Lektoren,
Kritiker und Juroren auf sprachliche Mätzchen und Manierismen herein und fördern sie sogar.
Doch ihre Wirkung verpufft schnell, wenn keine Substanz dahinter steckt. Und nichts ist so
schal wie die stilistische Masche von gestern.
Folgende Ratschläge halte ich für beherzigenswert:
- Meiden Sie unbeabsichtigte Monotonie durch Wiederholungen von Worten und
syntaktischen Konstruktionen.
- Schreiben Sie ökonomisch. Streichen Sie alle Redundanzen und Verdoppler. Kumulierende
Effekte, übertriebene Begeisterung und Sentimentalität führen oft zu Lyrismus und Kitsch.
- Sprachlicher Reichtum und differenzierte Ausdrucksweise sind anzustrebende Ziele.
Bemühen Sie sich um den jeweils treffenden Ausdruck. Es gibt, wenn überhaupt, nur sehr
wenige wirkliche Synonyme in einer Sprache.
- Alles Gestelzte und Geschraubte gehört in die Mottenkiste. Artifizielle Prosa, selbst wenn sie
überzeugt, ist Zeitvertreib für Minderheiten.
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- Schachtelsätze überlassen Sie den Juristen.
- Stereotype, Klischees und Trivialitäten sind die Totengräber einer ausdrucksvollen Sprache
und eines überzeugenden Stils.
- Achten Sie auf die Übereinstimmung von Form und Inhalt, Hohes Erzähltempo braucht eine
andere Syntax als eine gemächliche Beschreibung (kürzere Sätze, unter Umständen
Abbräche, Auslassungen). Jeder Sprecher muß sich von dem anderen unterscheiden, Ich-
Erzähler benötigen Rollenprosa.
- Vorsicht bei zeitgebundener Wortwahl: Sie könnte schnell veralten. Dies gilt vor allem für
Slang-Ausdrucke und modische Anspielungen (unter Umständen auch für Preisangaben und
ähnliches).
- Erzählen Sie bildkräftig und vermeiden Sie Abstraktionen und unspezifische Ausdrücke.
Einleuchtende Vergleiche und aufschließende Metaphern geben Ihrer Prosa Tiefendimension
und Farbe.
- Denken Sie immer an die Devise »Show, don't tell!«. Malen Sie nicht aus, sondern
versuchen Sie zu evozieren: Durch den richtigen Appell an die Erinnerungen und Erfah-
rungen des Lesers entsteht eine >visuelle
Sind die Details richtig ausgewählt, sieht der Leser mehr, als geschrieben steht.
- Noch stärker als Visualisieren bzw. Evozieren wirkt Suggerieren, also das indirekte
Hervorrufen vergessener Bilder und unterschwelliger Gefühle. Wer diese Kunst beherrscht,
ist ein Meister. Schauen Sie sich die schon erwähnte Kutschenfahrt der Madame Bovary an
oder lesen Sie nach, wie Thomas Mann Hanno Buddenbrook an Typhus sterben läßt: Er
>zitiert
intensiver, als es das Vergießen von Tränen auf dem Papier je vermocht hätte.
- Ein Erzähler, der sich kommentierend ins Geschehen einmischt, findet heute seltener denn je
Anhänger. Auf keinen Fall sollte er sich durch Kundgabe irgendwelcher Meinungen
profilieren wollen. Dies gilt in verstärktem Maße für den Autor selbst. (»Ein Romancier hat
nach meiner Auffassung nicht das Recht, seine Meinung über die Dinge dieser Welt zu sagen.
Er muß bei seiner Schöpfung Gott nachahmen, d. h. schaffen und schweigen.« Gustave
Flaubert).
- Allerweltsweisheiten sind nichts anderes als gedankliche Klischees. Auch wenn sie >wahr
sind: Ihre Wahrheit hat sich abgenutzt. Es gilt die Gleichung: Abstraktion + Klischee =
schwerer Fehler.
- Reflexionen, intellektuelle Streitgespräche, Kommentare sollten einen ungewöhnlichen
Aspekt einbringen. Extreme Standpunkte, aphoristische Überspitzungen, neuartige
gedankliche Kombinationen können aufhorchen lassen, zum Widerspruch reizen und
natürlich eine Person kennzeichnen. Aber generell gilt: Eine verkopfte Prosa wirkt auf die
meisten Leser abstoßend und langweilig.
- Ironische Distanz, insbesondere in der Darstellung der Figuren, ist gerade bei Anfängern
beliebt, aber schwerer zu realisieren, als sich die meisten vorstellen. Man sollte sich immer
vor Augen halten, daß viele Menschen Ironie überhaupt nicht einordnen können, andere
allergisch reagieren; außerdem wirkt sie sehr schnell überheblich. Also Vorsicht!
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- Sprachliche Übertreibungen und Verzerrungen, bewußt eingesetzte Stilbrüche müssen in
ihrer Funktionalität einleuchten und überzeugen. Sie dürfen nicht aufdringlich oder
gekünstelt wirken oder gar zum Selbstzweck werden.
- Sprachliche Wirkung basiert nicht zuletzt auf Rhythmus und Klang. (»Ich bin überzeugt, daß
die geheimste und stärkste Anziehungskraft einer Prosa in ihrem Rhythmus liegt.« Thomas
Mann) Lange Sätze und schwingende Rhythmen rufen im Leser ein anderes Gefühl hervor als
hektisches Stakkato und atemloses Stolpern. Abgerundete Satzkadenzen verleiten eher zum
Weiterlesen als holprige Ausgänge. Auch die Wortklänge, das Vorherrschen dunkler oder
heller Vokale, Alliterationen, Assonanzen, unauffällige Reime, also der >Sprachkörper
entfalten eine suggestive, ja magische Kraft, der sich sensible Leser kaum entziehen können.
- Die sprachliche Gestaltung darf den Leser nicht dauernd (ungewollt) aus seinem fiktionalen
Traum reißen. Wenn sie dies soll, dann muß sie präzise treffen, überraschen und zusätzlich
bezaubern. Schiefe Bilder, brüchige Rhythmen und ungeschickte Satzkonstruktionen sind nicht [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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und bei der Überarbeitung besonders auf sie.
Für den Schriftsteller gilt im übrigen ebenso, was bei jedem Klaviervirtuosen oder
Tennisprofi für selbstverständlich gehalten wird: Immer wieder trainieren! Täglich schreiben
und dabei die Fingerübungen nicht vergessen. (Lassen Sie sich von den Aufgaben auf S. 227
ff. anregen.)
Stil, nicht Stilisierung. Ratschläge zur sprachlichen Gestaltung
»Eine falsche Ausdrucksweise wirkt
wie ein falsches Gebiß.«
(Thomas Bernhard)
Die Sprachgestalt hängt natürlich immer von der Wirkungsabsicht ab. Entscheidend ist, wie
es dem Autor gelingt, das, was man sagen möchte und was die Geschichte erfordert, den Le-
sern zu vermitteln: ohne Informations- und Reibungsverluste, ohne Verrenkungen und falsche
Posen. Dabei sollten die Sache und die angestrebte Übertragung im Vordergrund stehen, nicht
die sprachliche (Selbst-)Präsentation des Autors.
Es ist mir klar, daß viele anspruchsvolle Autorinnen und Autoren heute geradezu die
entgegengesetzte Strategie betreiben:
Sie wollen sprachlich verfremden, auffallend machen, aufrauhen, setzen Sprache als
Kunstgriff ein, um - nach der Formulierung von Viktor Sklovski - die Wahrnehmung zu
verlängern. Sie mißtrauen gründlich der >glatten
sperrige Darstellungsstrategien.
Aber: Stil, so heißt es, ist der Mensch selbst. Das bedeutet, Stil entsteht von alleine, wenn man
eine Aufgabe zu bewältigen versucht und sich sprachlich an einer Sache >abarbeitet
entsteht nicht durch einen absichtlich verfremdeten und angeblich individuellen
Sprachgebrauch. Auf diese Weise entsteht nur Masche. Persönlichen Stil sollte man nie mit
Stilisierung verwechseln, wie dies häufig Anfänger tun, weder gespreizte Posen noch
verrenkte Veitstänze machen den Dichter. Leider fallen manche Profileser wie Lektoren,
Kritiker und Juroren auf sprachliche Mätzchen und Manierismen herein und fördern sie sogar.
Doch ihre Wirkung verpufft schnell, wenn keine Substanz dahinter steckt. Und nichts ist so
schal wie die stilistische Masche von gestern.
Folgende Ratschläge halte ich für beherzigenswert:
- Meiden Sie unbeabsichtigte Monotonie durch Wiederholungen von Worten und
syntaktischen Konstruktionen.
- Schreiben Sie ökonomisch. Streichen Sie alle Redundanzen und Verdoppler. Kumulierende
Effekte, übertriebene Begeisterung und Sentimentalität führen oft zu Lyrismus und Kitsch.
- Sprachlicher Reichtum und differenzierte Ausdrucksweise sind anzustrebende Ziele.
Bemühen Sie sich um den jeweils treffenden Ausdruck. Es gibt, wenn überhaupt, nur sehr
wenige wirkliche Synonyme in einer Sprache.
- Alles Gestelzte und Geschraubte gehört in die Mottenkiste. Artifizielle Prosa, selbst wenn sie
überzeugt, ist Zeitvertreib für Minderheiten.
109
- Schachtelsätze überlassen Sie den Juristen.
- Stereotype, Klischees und Trivialitäten sind die Totengräber einer ausdrucksvollen Sprache
und eines überzeugenden Stils.
- Achten Sie auf die Übereinstimmung von Form und Inhalt, Hohes Erzähltempo braucht eine
andere Syntax als eine gemächliche Beschreibung (kürzere Sätze, unter Umständen
Abbräche, Auslassungen). Jeder Sprecher muß sich von dem anderen unterscheiden, Ich-
Erzähler benötigen Rollenprosa.
- Vorsicht bei zeitgebundener Wortwahl: Sie könnte schnell veralten. Dies gilt vor allem für
Slang-Ausdrucke und modische Anspielungen (unter Umständen auch für Preisangaben und
ähnliches).
- Erzählen Sie bildkräftig und vermeiden Sie Abstraktionen und unspezifische Ausdrücke.
Einleuchtende Vergleiche und aufschließende Metaphern geben Ihrer Prosa Tiefendimension
und Farbe.
- Denken Sie immer an die Devise »Show, don't tell!«. Malen Sie nicht aus, sondern
versuchen Sie zu evozieren: Durch den richtigen Appell an die Erinnerungen und Erfah-
rungen des Lesers entsteht eine >visuelle
Sind die Details richtig ausgewählt, sieht der Leser mehr, als geschrieben steht.
- Noch stärker als Visualisieren bzw. Evozieren wirkt Suggerieren, also das indirekte
Hervorrufen vergessener Bilder und unterschwelliger Gefühle. Wer diese Kunst beherrscht,
ist ein Meister. Schauen Sie sich die schon erwähnte Kutschenfahrt der Madame Bovary an
oder lesen Sie nach, wie Thomas Mann Hanno Buddenbrook an Typhus sterben läßt: Er
>zitiert
intensiver, als es das Vergießen von Tränen auf dem Papier je vermocht hätte.
- Ein Erzähler, der sich kommentierend ins Geschehen einmischt, findet heute seltener denn je
Anhänger. Auf keinen Fall sollte er sich durch Kundgabe irgendwelcher Meinungen
profilieren wollen. Dies gilt in verstärktem Maße für den Autor selbst. (»Ein Romancier hat
nach meiner Auffassung nicht das Recht, seine Meinung über die Dinge dieser Welt zu sagen.
Er muß bei seiner Schöpfung Gott nachahmen, d. h. schaffen und schweigen.« Gustave
Flaubert).
- Allerweltsweisheiten sind nichts anderes als gedankliche Klischees. Auch wenn sie >wahr
sind: Ihre Wahrheit hat sich abgenutzt. Es gilt die Gleichung: Abstraktion + Klischee =
schwerer Fehler.
- Reflexionen, intellektuelle Streitgespräche, Kommentare sollten einen ungewöhnlichen
Aspekt einbringen. Extreme Standpunkte, aphoristische Überspitzungen, neuartige
gedankliche Kombinationen können aufhorchen lassen, zum Widerspruch reizen und
natürlich eine Person kennzeichnen. Aber generell gilt: Eine verkopfte Prosa wirkt auf die
meisten Leser abstoßend und langweilig.
- Ironische Distanz, insbesondere in der Darstellung der Figuren, ist gerade bei Anfängern
beliebt, aber schwerer zu realisieren, als sich die meisten vorstellen. Man sollte sich immer
vor Augen halten, daß viele Menschen Ironie überhaupt nicht einordnen können, andere
allergisch reagieren; außerdem wirkt sie sehr schnell überheblich. Also Vorsicht!
110
- Sprachliche Übertreibungen und Verzerrungen, bewußt eingesetzte Stilbrüche müssen in
ihrer Funktionalität einleuchten und überzeugen. Sie dürfen nicht aufdringlich oder
gekünstelt wirken oder gar zum Selbstzweck werden.
- Sprachliche Wirkung basiert nicht zuletzt auf Rhythmus und Klang. (»Ich bin überzeugt, daß
die geheimste und stärkste Anziehungskraft einer Prosa in ihrem Rhythmus liegt.« Thomas
Mann) Lange Sätze und schwingende Rhythmen rufen im Leser ein anderes Gefühl hervor als
hektisches Stakkato und atemloses Stolpern. Abgerundete Satzkadenzen verleiten eher zum
Weiterlesen als holprige Ausgänge. Auch die Wortklänge, das Vorherrschen dunkler oder
heller Vokale, Alliterationen, Assonanzen, unauffällige Reime, also der >Sprachkörper
entfalten eine suggestive, ja magische Kraft, der sich sensible Leser kaum entziehen können.
- Die sprachliche Gestaltung darf den Leser nicht dauernd (ungewollt) aus seinem fiktionalen
Traum reißen. Wenn sie dies soll, dann muß sie präzise treffen, überraschen und zusätzlich
bezaubern. Schiefe Bilder, brüchige Rhythmen und ungeschickte Satzkonstruktionen sind nicht [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]