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ich nach Westen blickte, sähe ich die Mitternacht vom Freitag, und wenn ich nach Osten blickte, sähe
ich die Mitternacht vom Donnerstag. Herrgott!«
»Sag nicht Herrgott, bitte.«
»Verzeiht, Pater, aber das ist wirklich wunderbar!«
»Und im Angesicht eines Wunnders solstu den Namen Gottes nicht unnütz im Munde füren! Sag lieber
Sacrobosco, so du unbedingt etwas sagen musst. Aber das grösste Wunnder ist, daß es gar kein
Wunnder nit ist! Alles war vorgesehn ab initio! Wann die Sonne vierundzwanzig Stunden braucht, um
die Erde zu umkreisen, beginnt im Westen des hundertundachtzigsten Meridians ein Neuer Tag, und im
Osten des Meridians haben wir noch den Tag darvor. Freytag Mitternacht hier bey uns auf dem Schiffe
ist Donnerstag Mitternacht dorten auf der Insel. Weißt du nicht, was Herrn Magellani Mannen passiret
ist, als sie ihre Weltumseglung beendiget hatten, wie Petrus Martyr berichtet? Sie sind zurückgekehret
und dachten, es wäre einen Tag früher, und darbey wars einen Tag später, und sie dachten, Gott hätt
ihnen einen Tag wegnemen wollen zur Strafen darfür, daß sie am Karfreytag nit hatten gefaßtet. Darbey
war alles gantz naturaliter zugegangen: Sie waren nach Westen gefahren. Wann du von Amerika der
Sonne entgegen nach Asien reisest, verlierest du einen Tag, und wann du die Reise umbgekehrt machest,
gewinnst du einen darzu. Darumb hat die Daphne den Weg über Asien genommen, indes ihr Esel seyd
gefahren über Amerika. Jetzt bist du umb einen Tag älter als ich! Macht dich der Casus nit lachen?«
»Aber wenn ich auf die Insel hinüberginge, wäre ich umb einen Tag jünger!« sagte Roberto.
»Ebendieß war ja mein kleiner Jokus. Aber mir gehts nit darumb, ob du jünger bist oder älter. Mir gehts
darumb, daß an dieser Stelle der Erden eine Linea ist, auf weicher hüben der Tag darnach ist und
drüben der Tag darvor. Und das nicht nur umb Mitternacht, sondern auch umb sieben, umb zehen Uhr
und zu jedweder Stunde! Ergo nahm Gott aus diesem Abgrund das Wasser von gestern (das du dort
siehest) und goss es auf die Welt von heute, und am nächsten Tage selbiges abermals und so fort! Sine
miraculo, naturaliter! Gott hatte die Natur praedisponiret wie eine Grosse Uhr! Es ist, wie wenn ich
hätt eine Uhr, die nit zwölf, sondern vierundzwanzig Stunden anzeigt. Auf dieser Uhr gienge der Zeiger
zur Vierundzwanzig, und rechts von der Vierundzwanzig wär gestern und links morgen!«
»Aber wie hat es die Erde von gestern gemacht, daß sie am Himmel feststehen blieb, wenn sie doch kein
Wasser mehr in dieser Hemisphäre hatte? Hatte sie nicht ihr Centrum Gravitatis verloren?«
»Du denckst in den Conceptiones humanae der Zeit. Für uns Homines existiert das Gestern nicht mehr
und das Morgen noch nicht. Tempus Dei, quod dicitur Aevum, Gottes Zeit, die man nennt Ewigkeit, ist
gantz anderst geartet.«
Roberto überlegte: Wenn Gott das Wasser von gestern nahm und es ins Heute goß, hatte vielleicht die
Erde von gestern eine Erschütterung wegen dieses verflixten Gravitationszentrums, aber den Menschen
konnte das egal sein. In ihrem Gestern hatte die Erschütterung ja nicht stattgefunden, sie geschah nur in
einem Gestern von Gott, der selbstverständlich in der Lage war, mit verschiedenen Zeiten und
verschiedenen Geschichten zu hantieren wie ein Erzähler, der verschiedene Romane schreibt, alle mit
denselben Personen, die er jedoch von einer Geschichte zur anderen verschiedene Dinge erleben läßt.
Wie wenn es ein Rolandslied gegeben hätte, in dem Roland unter einer Kiefer stirbt, und ein anderes, in
dem er nach dem Tod Karls des Großen König von Frankreich wird und Ganelons Haut als
Bettvorleger nimmt. Ein Gedanke, der Roberto, wie wir sehen werden, noch lange beschäftigen und
schließlich davon überzeugen sollte, daß die Welten nicht nur unendlich viele im Raum sein können,
sondern auch parallel in der Zeit. Doch darüber wollte er nicht mit Pater Caspar sprechen, der schon
den Gedanken unendlich vieler Welten im Raum als äußerst häretisch ansah und zu dieser Spekulation
wer weiß was gesagt hätte. So begnügte er sich damit, ihn zu fragen, wie Gott es angestellt habe, das
ganze Wasser von gestern ins Heute zu kriegen.
»Nun, einfach indem Er die Vulkane unter den Meeren hat ausbrechen lassen! Denck nur einmal: Sie
stossen feurige Winde auß, und was geschiehet, wenn ein Topf Milch erwermet wird? Die Milch blähet
sich, steiget empor, fliesset über den Rand und ergeusset sich auf den Herd! Aber damahlen wars nit
Milch, sondern aufkochend Wasser. Grosse Katastrophe!«
»Und wie hat Gott all das Wasser nach vierzig Tagen wieder weggekriegt?«
»Als es nit mehr regnete, schien die Sonne, und ergo ist das Wasser mählich verdampffet. Die Bibel
sagt, hundertundfünfzig Tage hat es gedauret. Wann du kanst dein Hemmed an einem Tage waschen und
trocknen, kan die Erde in hundertundfünfzig Tagen trocknen. Außerdem ist viel Wasser auch
zurückgeflossen in riesige unterirdische Seen, die sich noch heute zwischen der Erdkrusten und dem
Feuer in der Erdmitten befinden.«
»Ihr habt mich fast überzeugt«, sagte Roberto, dem weniger daran lag zu wissen, wie jenes Wasser
entfernt worden war, als daß er sich zwei Schritte vom Gestern entfernt befand. »Aber was habt Ihr
durch Eure Reise hierher bewiesen, was Ihr nicht schon vorher im Licht der Vernunft bewiesen hattet?«
»Das Licht der Vernunfft überlaß ich der alten Theologie. Heutzutage verlangt die Wissenschafft den
Beweis durch Experimenta. Und den Beweis durch Experimenta hab ich dardurch erbracht, daß ich
hiero herkommen bin. Und bevor ich hiero angekommen, habe ich viele Tieffenmessungen
vorgenommen, und darumb weiß ich, wie tieff das Meer da drüben ist.«
Danach hatte Pater Caspar von seinen geo-astronomischen Darlegungen abgelassen und sich auf die
Beschreibung der Sintflut verlegt. Er sprach jetzt in seinem Gelehrtenlatein, bewegte die Arme, wie um [ Pobierz całość w formacie PDF ]
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